Die Immobilienhochschule
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„Eine Genossenschaft lebt vom Engagement der Menschen“

Laura Henke ist Vorstand der Spar- und Bauverein Leichlingen eG. Im Interview verrät sie, welche Rolle das EBZ in ihrer Familie spielt – und hält ein starkes Plädoyer für Genossenschaften.

Laura Henke kam schon früh mit einer Wohnungsgenossenschaft in Berührung – als Nutzerin einer Genossenschaftswohnung in Rheinland-Pfalz. Dass sie es einmal bis in den Vorstand schaffen würde, war da nicht abzusehen. Seit 2018 steht die 32-Jährige der Spar- und Bauverein Leichlingen eG vor.

Frau Henke, von der Nutzerin einer Genossenschaftswohnung in den Vorstand – wie verlief dieser Weg?

Laura Henke: Mein erster Kontakt zu einer Wohnungsgenossenschaft war, als ich nach dem Abitur eine Wohnung gesucht hatte. Ich habe damals ein Jura-Studium in Trier begonnen, aber kein Staatsexamen abgelegt. Jura war mir nicht praxisnah genug. Stattdessen bin ich dann wieder zurück nach NRW, habe dort ebenfalls eine Genossenschaftswohnung bezogen und in dieser Wohnungsgenossenschaft eine zweijährige Ausbildung zur Immobilienkauffrau gemacht. Anschließend habe ich noch den Immobilienökonom (GdW) und den Bachelor Real Estate an der EBZ Business School draufgesetzt.

Ihre Berufsschulzeit und Ihr Studium haben Sie am EBZ verbracht. Darüber hinaus verbindet Sie mit dem EBZ eine persönliche Geschichte.

Henke: Mein Vater hat bei der – damals hieß sie noch WL Bank – Unternehmen der Wohnungswirtschaft betreut. Er und einer seiner Kollegen hatten keine immobilienwirtschaftliche Ausbildung. Also haben sie überlegt, sich mit dem Lehrgang zum Immobilienökonom am EBZ weiterzubilden. Der Kollege hat jedoch gekniffen. So musste mein Vater zwar allein studieren, hat dabei aber natürlich noch mehr tolle Leute aus der WoWi kennengelernt. Zu der Zeit ging ich noch zur Schule.

Und sie gingen dann gemeinsam zum EBZ…

Henke: Als ich nach meiner Ausbildung ins Studium ging, hatte mein Vater zwar längst den Immobilienökonom, wollte aber mit mir gleichziehen. Also hat er sich wieder an der EBZ Business School eingeschrieben und dort im Distance Learning den Bachelor of Arts Real Estate absolviert. 2018 haben wir zusammen unsere Zeugnisse entgegengenommen, das war wirklich schön.

"Man muss den Menschen bewerten und nicht eine Quote erfüllen§

Dem EBZ sind Sie auch nach dem Studium erhalten geblieben.

Henke: Als Spar- und Bauverein Leichlingen eG nutzen wir die Aus- und Weiterbildungsangebote des EBZ, sind Mitglied in den beiden Fördervereinen und privat bin ich im Alumni-Verein aktiv. Mein Vater auch.

Warum engagieren Sie sich im Alumni-Verein? Spielt auch der Gedanke, Frauen in der Wohnungswirtschaft zu fördern, eine Rolle?

Henke: Eigentlich nicht. Ich hatte meine Bachelorarbeit übrigens über Frauen in der Wohnungswirtschaft und die Frage, ob Quoten Sinn ergeben, geschrieben.

Und?

Henke: Sie machen keinen Sinn, aber nüchtern betrachtet sind sie ein Mittel zum Zweck. Letztlich muss man den Menschen bewerten und nicht irgendeine Quote erfüllen. Aber wenn es dazu dient, dass mehr Frauen eingestellt werden, dann muss man das eben machen. Das hat mit der Arbeit im Alumni-Verein wenig zu tun. Ich mag Netzwerke und finde es wichtig, mich mit den verschiedensten Menschen aus der Branche, aber auch speziell aus Wohnungsgenossenschaften, auszutauschen oder in Gremien zusammenzuarbeiten, um zum Beispiel Lösungswege zu finden die Mitgliederbindung zu erhöhen.

Wie geht das?

Henke: Man muss die Leute begeistern und Angebote schaffen. Konkret sind das bei uns zum Beispiel Beet-Patenschaften, ein Mieter-Café und Mitglieder, die sich dort engagieren oder unsere schönen Gästewohnungen.

Als die Wohnungsgenossenschaften gegründet wurden, hatten die Menschen durch die Wohnungsknappheit eine andere Motivation. Das kommt jetzt so langsam wieder zurück, weil man gemeinsam einfach mehr schafft als allein.

Deutschlandweit sind wir übrigens mit rund 400 Genossenschaften in der Marketinginitiative der Wohnungsbaugenossenschaften Deutschland e. V. organisiert, zusammen haben wir mehr als 800.000 Wohnungen und über eine Million Mitglieder. Hier finden sich immer wieder tolle best practices!

Eine Genossenschaft lebt vom Engagement der Menschen. Beispielsweise haben wir in einem Quartier das Wohnumfeld umfassend modernisiert und nach Patenschaften gesucht. Da haben sich auch junge Mütter gemeldet und ihre Kinder motiviert, sich zu kümmern und für Ordnung zu sorgen. So etwas steht und fällt mit den Mitgliedern. Man muss begeistern, die Menschen aktiv animieren, das Prinzip erläutern und ruhig mal Werbung machen – tue Gutes und rede darüber.

Sie sind vermutlich einer der größten Vermieter in Leichlingen und somit auch ein wichtiger Akteur in der Stadtgesellschaft.

Henke: Es gibt verschiedene Bestandshalter in Leichlingen, einer Stadt mit rund 30.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, wir sind jedoch die einzige Wohnungsgenossenschaft und verfügen über 881 Wohnungen. Die Nachfrage nach Wohnraum ist groß, und die Nutzerinnen und Nutzer unserer Wohnungen sind sehr zufrieden. Wir machen auch viel, damit sich die Mitglieder wohlfühlen. Zum Beispiel indem wir helfen, die Wohnung barrierefreier zu gestalten und auf schöne Wohnumfelder Wert legen. Und innerhalb der Stadt sind wir eben auch ein Akteur, der kostengünstigen Wohnraum anbietet. Bei der Flutkatastrophe 2021 oder beim Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine waren wir eigentlich der einzige größere Akteur, der proaktiv gehandelt und Unterstützung angeboten hat, zum Beispiel mit Wohnraum oder als Moderatorin für soziale Initiativen unserer Mitglieder. Das ist natürlich auch der Stadtführung nicht verborgen geblieben.

Bekommen Sie Druck seitens der Mitglieder, schneller Dinge wie Dekarbonisierung in Angriff zu nehmen? Und wie erklären Sie den Mitgliedern, dass sich das auf die Mieten auswirken wird?

Henke: Nein, Druck aus der Mitgliederschaft bekommen wir kaum. Auch seitens der Stadtverwaltung nicht. Im Gegenteil: Ich bin diejenige, die Druck ausübt und fragt, was denn im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung vorgesehen ist und wann sich die Stadt ernsthaft mit dem Thema beschäftigen wird. Leider ist die Stadt Leichlingen da nicht so schnell, wie wir es brauchen. Zum Glück haben wir in den vergangenen Jahren schon viel saniert. Unser CO2-Fußabdruck ist gar nicht so groß. Im Jahr 2024 wollen wir weitere Häuser mit regenerativen Energien versorgen.

Wie kommunizieren Sie hier mit den Mitgliedern?

Henke: Die Kommunikation läuft gut. Wir hatten jetzt in zwei Häusern die Gasetagenheizungen ausgebaut und wegen der effizienteren Technik vorerst zentralisiert, um sie einerseits zu monitoren und um hier andererseits z. B. eine Wärmepumpe zu ergänzen. Das ist natürlich eine Umstellung für die Nutzerinnen und Nutzer, aber wir haben erklärt, warum wir das machen und das das langfristig gut ist.

Welche Eigenschaften brauchen Sie als Genossenschaftsvorstand gegenüber einem Kollegen in einem kapitalmarktorientierten Unternehmen?

Henke: Die Soft Skills sollten ausgeprägt sein. Man muss kommunizieren mögen und empathisch sein. Wir arbeiten schließlich mit dem Geld unserer Mitglieder, das ist unser Eigenkapital. Demzufolge müssen wir besonnen agieren und eben keine Gewinne in dem Maße maximieren, wie das bei anderen Gesellschaftsformen vielleicht der Fall ist. Es ist viel wert, dass man nicht unbedingt immer nur wachsen, wachsen, wachsen muss, sondern auch nach dem Sinn für die Mitglieder und nach weiteren Mehrwerten streben kann.

Ist das auch ein Pluspunkt für Genossenschaften als Arbeitgeber?

Henke: Ich empfehle immer allen in der sozialorientierten Wohnungswirtschaft und natürlich insbesondere in einer Wohnungsgenossenschaft zu arbeiten. Wenn wir um Fachkräfte werben wollen, müssen wir dieses Sinnstiftende in den Vordergrund rücken. Wenn wir jetzt den Blick auf die Nachhaltigkeit schwenken, auf die ESG-Kriterien – wir können den ganzen Katalog durchgehen: Das alles, bzw. die Basis hierfür haben wir als Genossenschaft überwiegend schon. Außerdem haben wir einen sehr guten Tarifvertrag und wirklich faire Arbeitsbedingungen.

Es ist doch viel schöner, wenn neben dem Gehalt auch noch die Sinnhaftigkeit der Arbeit stimmt und Menschen mit Freude ihrem Beruf nachgehen können.