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In Lünen entsteht ein Mehrfamilienhaus aus dem 3D-Drucker.

3D-Druck kann bezahlbaren Wohnraum sichern

Genossenschaften stehen für sicheren und bezahlbaren Wohnraum. Um den bieten zu können, ist Experimentierfreude gefragt – wie bei der WBG Lünen.

Es ist ein Experiment, das am südlichen Rand der Lippewiesen in Lünen wächst. Auf den ersten Blick sieht alles aus, wie auf einer normalen Baustelle. Doch bei genauerem Hinsehen ist etwas anders: Auf der Baustelle arbeiten viel weniger Menschen als erwartet. Und es türmen sich keine Steine. Denn das Mehrfamilienhaus an der Lippestraße wird nicht Stein auf Stein gemauert, sondern Schicht für Schicht gedruckt.

Ein eckiger Rahmen umgibt die Baustelle. Er dient als Schiene und Befestigung für einen Schlauch und eine Art Spritze, aus der schichtweise eine spezielle Betonmischung aufgetragen wird. Wer schon einmal einen herkömmlichen 3D-Drucker für den Hausgebrauch gesehen hat, kennt den Aufbau und Verfahren. Bloß strömt hier statt Filament Beton durch die Leitung zum Druckkopf.

Bauherrin des deutschlandweit ersten Mehrfamilienhauses mit öffentlich geförderten Wohnungen aus dem 3D-Drucker ist die Wohnungsbaugenossenschaft (WBG) Lünen. „In Nordkirchen und in Beckum sind bereits Gebäude in diesem Verfahren errichtet worden“, weiß WBG-Vorstand Jan Hische, der die Idee hatte, den 3D-Druck im geförderten Wohnungsbau zu testen.

Land NRW fördert 3D-Druck mit Darlehen und Zuschuss

Gefördert, weil Häuser aus dem Drucker trotz der Hoffnung auf Ersparnisse an Material und Personal noch nicht kostensparend errichtet werden können. Ohne Förderung vom Land NRW könnte das Haus nicht gedruckt werden. So gibt das Land NRW neben dem Förderdarlehen für die geförderten Wohnungen einen weiteren Zuschuss für den 3D-Druck in Höhe von 400.000 €. „Es gibt noch keine Standards. Stattdessen benötigen wir Genehmigungsverfahren für alle im Druck eingesetzten Materialien und Verfahren “, erklärt Hische. Somit sei das Haus an der Lippestraße eher eine Investition in die Zukunft, um Praxiserfahrung zu sammeln – und langfristig bei Folgeprojekten tatsächlich auch Baukosten zu sparen.

Werden Wohnungsunternehmen jetzt zur Konkurrenz von Architekten, Statikern und Bauunternehmern, weil sich so ein Haus zukünftig am PC entwerfen lässt? Das bezweifelt Jan Hische: „Das Druckverfahren steht nicht in Konkurrenz zum klassischen Bauen, sondern stellt eher eine Ergänzung dar. Einige Arbeiten müssen weiterhin klassisch durchgeführt werden.“ So würden mit dem 3D-Drucker keine tragenden Wände erstellt. Die werden – wie beispielsweise auch der Fahrstuhlschacht – herkömmlich gemauert. „Wir versuchen auch herauszufinden, welche Kombination aus klassischem Bau und Druckverfahren wirtschaftlich Sinn macht.“, so Hische weiter.

„Es war einfach an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren“, so der Genossenschaftsvorstand. Angesichts des Fachkräftemangels könne die WBG mit dem 3D-Druck aus der Not eine Tugend machen. „Diese Flexibilität und ein bisschen Experimentierfreude zeichnen uns als Genossenschaft auch aus“, sagt Hische, der das neue Bauverfahren gleich aus mehreren Gründen zukunftsfähig sieht: „Theoretisch lässt sich viel mehr mit Rundungen arbeiten“, weist er auf gestalterische Vorteile hin. Außerdem könnte der Maurerberuf durch die für den 3D-Druck nötige Programmierarbeit etwa mit CAD-Software perspektivisch für digitalaffine Menschen attraktiver werden: „Auch das ist wichtig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, ist Hische überzeugt. Und als Genossenschaft sei es wichtig, bei steigenden Materialkosten und fehlenden Fachkräften weiterhin Wege zu finden, um auch in Zukunft bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können.