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"Eine eG steht für gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnraumversorgung"

Tim Leweringhaus ist Überzeugungstäter. Als Vorstand der Gevelsberger Bauverein eG arbeitet er für bezahlbares und klimafreundliches Wohnen.

Tim Leweringhaus ist ein Kind des EBZ. Von der Ausbildung bis zum Master haben das EBZ Berufskolleg und die EBZ Business School seinen Werdegang geprägt. Inzwischen ist Leweringhaus Vorstand der Bauverein Gevelsberg eG. Hier spricht er über den besonderen Reiz, in einer Wohnungsgenossenschaft zu arbeiten.

Zum Portfolio der Gevelsberger gehören rund 1800 Wohnungen, die von Mitarbeitern wie Kaufleuten, Haustechnikern und Gärtnern bewirtschaftet werden. 75 Prozent der Wohnungen sind frei finanziert, ein Viertel öffentlich gefördert. Die durchschnittliche Miete beträgt 5,10 Euro je Quadratmeter. Die 125 Jahre alte Genossenschaft zählt etwa 3000 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren.

Wie sind Sie zur Bauverein eG gekommen?

Tim Leweringhaus: Ich habe bereits 2002 die Ausbildung hier absolviert. Danach war ich Sachbearbeiter, Abteilungsleiter und seit 2020 bin ich Vorstand. Ich habe also nie etwas anderes gesehen, wollte nie etwas anderes sehen und will es auch jetzt nicht (lacht).

Warum?

Leweringhaus: Nach der Schule wollte ich etwas Kaufmännisches lernen und hatte die Wahl zwischen einem großen, kommunalen Unternehmen und einer kleinen Genossenschaft. Ich habe dann viel recherchiert und mich dann explizit für die Genossenschaft entschieden, auch mit dem Hintergedanken, dort die besseren Entwicklungsmöglichkeiten zu haben. So ist es dann ja auch gekommen.

Welche Rolle hat das EBZ dabei eingenommen?

Leweringhaus: Das EBZ ist seit 2002 meine ständige und verlässliche Begleiterin und das „Wohnzimmer“ oder der Treffpunkt für den fachlichen Austausch sowie für Fort- und Weiterbildung. Beginnend mit der Berufsschule inklusive der Übernachtungsmöglichkeiten - die ich jedem Azubi ans Herz legen kann - über Seminare, Arbeitskreise, Networking bis zum Studium. Kurz gesagt: das All-inklusiv-Paket für die Wohnungswirtschaft sowie die eigene Entwicklung.

Was zeichnet eine Wohnungsgenossenschaft in drei Sätzen aus?

Leweringhaus: Drei Sätze brauche ich dafür nicht, es reichen drei Begrifflichkeiten: Die gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnraumversorgung der Mitglieder.

Ist die Anzahl der Mitglieder eigentlich gedeckelt, damit die Nachfrage das Angebot nicht extrem übersteigt?

Leweringhaus: Grundsätzlich nehmen wir jede Person auf. In den letzten Jahren haben aber viele Menschen aus der ganzen Bundesrepublik eine Mitgliedschaft angefragt, weil sie aufgrund der Situation am Kapitalmarkt Interesse an der hohen Dividende hatten. Das haben wir reglementiert und Anfragen, die zu intransparent waren, auch abgelehnt, um die Genossenschaft zu schützen. Aber jeder, der bei uns eine Wohnung suchen möchte und Interesse am Unternehmen hat, kann Mitglied werden.

Investoren ablehnen zu können, ist ein Luxus, den sich andere Kapitalgesellschaften nicht gönnen können.

Leweringhaus: Genossenschaften haben einen deutlich anderen Primär-Auftrag als Kapitalgesellschaften mit ihren profit-abhängigen Gesellschaftern oder Aktionären. Die Leute, die hier Mitglied werden, wollen eine sichere Wohnraumversorgung. Als Genossenschaft haben wir keinen ausschließlichen finanziellen Fokus. Das heißt natürlich nicht, dass wir nicht auch wirtschaftlich denken und arbeiten (lacht). Im Vordergrund steht aber die bezahlbare Wohnraumversorgung der Mitglieder. Finanzielle Aspekte oder die Dividende werden nachrangig bewertet.

Angesichts der Herausforderungen Fachkräftemangel, Dekarbonisierung und Digitalisierung – wie kommunizieren Sie darüber mit Ihren Mitgliedern?

Leweringhaus: Als eG zeichnet es uns traditionell aus, sehr nah beim Mitglied zu sein. Wir leben den ständigen Austausch. Verwaltung und Technik arbeiten für die Mitglieder. Kommunikation ist daher weit mehr als nur einmal im Jahr eine Mitgliederversammlung abzuhalten. Wir führen persönliche Gespräche in den Quartieren und halten eine permanente Kommunikation aufrecht: offen, ehrlich und transparent – das ist das Beste, was man machen kann. Wir nehmen die Mitglieder mit und haben ausgebildete Quartiersmanager, die uns Rückmeldung geben, wie die Stimmung ist. So können wir immer transparent und offen kommunizieren.

Was bedeutet eigentlich Digitalisierung in einem Wohnungsunternehmen?

Leweringhaus: Die Digitalisierung beginnt mit einer modernen EDV-Basis im Unternehmen. Hierzu zählen: zeitgemäße ERP-Systeme, mobile und flexible Lösungen, papier-armes Arbeiten, digitale Archivierung, Social Media oder auch KI. Aber es gehört auch das entsprechende Personal dazu – und zwar auf der Anbieter- und auf der Nachfrager-Seite. Ohne digitalaffines Personal bei uns und in den Bauämtern ergibt auch ein digitaler Bauantrag keinen Sinn.

Wie sehen Sie sich als Genossenschaft für die Erfüllung der Klima-Auflagen gerüstet?

Leweringhaus: Wir haben in den vergangenen Jahren viel in die Sanierung unserer Gebäude investiert. Das ist ja auch Teil unseres Auftrags. Aber mit ein paar energetischen Maßnahmen ist es nicht getan. Wir sind jetzt alle an einem Punkt, an dem wir erst einmal eine Portfolio-Analyse machen müssen, um zu sehen, wo wir mit unserem Bestand stehen. Das wird noch eine spannende Aufgabe, für die wir auch externe Hilfe brauchen werden. Machen wir uns nichts vor: Klimaneutralität kostet sehr viel Geld.

Die Investitionen können sich auf die Mieten niederschlagen – da werden Sie um Zustimmung intensiv werben müssen.

Leweringhaus: Auch da wird eine ehrliche und transparente Kommunikation der Weg sein. Wenn man den Leuten ehrlich sagt, was auf sie zu kommt und die Herausforderung veranschaulicht, dann finden wir einen genossenschaftlich-wirtschaftlichen Weg. Zwei Euro mehr pro Quadratmeter können sich unsere Mitglieder einfach nicht leisten. Klar ist aber, dass insbesondere für die Dekarbonisierung enorme Investitionen in den Bestand erfolgen müssen. Diese kommen dann direkt den Mitgliedern zugute, zumindest energetisch, könnten aber ein Spannungsfeld zwischen den Investitionen und Mietanpassungen erzeugen. Ich bin mir aber sicher, dass es hierfür einen genossenschaftlichen bzw. wirtschaftlich vertretbaren Weg geben wird.

Was gemacht werden muss, ist ziemlich klar – aber wer soll es machen? Wie werben Sie als Genossenschaft um Fachkräfte?

Leweringhaus: Ich habe festgestellt, dass wir als sehr solider und traditioneller Arbeitgeber wahrgenommen werden. Wir haben einen guten Tarifvertrag mit guten Verdienstmöglichkeiten und Sozialleistungen. Aber im Bereich Bilanzbuchhaltung oder im technischen Bereich sind die Fachkräfte rar. Da wird es schon den einen oder anderen „Kampf“ um Fachkräfte geben. Dann muss man schauen, was man neben dem Tarifvertrag noch anbieten kann. Als Genossenschaft stehen wir für einen sicheren Arbeitsplatz, das ist sicherlich ein Pfund.

Als Genossenschaft stehen Sie in keinem Konkurrenzkampf untereinander. Wäre es sinnvoll, wenn mehrere Genossenschaften einen Mitarbeiter-Pool gründen würden?

Leweringhaus: Das kann ich mir als Modell gut vorstellen, etwa im technischen Bereich bei Bauleitern. Das muss arbeitsrechtlich natürlich in einen sicheren Rahmen gefasst werden. Bei Sozialarbeitern kenne ich so etwas schon. Gerade eine kleine Genossenschaft wie wir könnte davon profitieren.

Kann es zu Fusionen zwischen Genossenschaften kommen? Gerade in so kleinstädtisch geprägten Regionen wie dem EN-Kreis?

Leweringhaus: Jede Genossenschaft hat für sich etwas geschaffen. Natürlich ist es schwierig, sich davon zu trennen und in andere Hände zu geben. Trotzdem ist es in bestimmten Fällen absolut sinnvoll, Sachen zu bündeln oder zu fusionieren. Die Ausrichtung bei Genossenschaften ist ja identisch: die Versorgung der Mitglieder mit Wohnraum.

Nun gibt es das Institut eG21. Wie würden Sie dieses Institut mit Leben füllen?

Leweringhaus: Ich freue mich sehr, dass die EBZ Business School ein Institut explizit für Genossenschaften gegründet hat. Mit Dr. David Wilde hat sie zudem einen ausgewiesenen Experten als wissenschaftlichen Leiter gewinnen können. Ich wünsche mir, dass Strategien erarbeitet und Innovationen entwickelt werden. Als kleine Genossenschaft kann man es sich nicht immer leisten, Innovationen zu testen. Aber gemeinschaftlich ist vieles möglich. Auch beim Thema Markenbildung sehe ich das Institut in einer wichtigen Rolle. Ich wünsche mir, dass gemeinschaftlich und wissenschaftlich belegbare Innovationen ausgearbeitet werden. Ich hoffe, dass ich da ein Teil von sein kann. Denn die Marke „Genossenschaft“ muss sexy werden und das Standing bekommen, das sie verdient.

 

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